Musik als Hort der Muse & Kreativität bewahren

Liegt es an den Voice Kids oder ist der Bildungsdruck tatsächlich so groß? Ab wann macht der Unterricht an einem Instrument Sinn – und warum kein Grund zur Eile besteht.

In den vergangenen Wochen melden sich immer häufiger interessierte Eltern, um sich nach Musikunterricht für ihre Kinder zu erkundigen. Das ist an und für sich noch kein bemerkenswerter Umstand für eine Musikschule, vielmehr angesichts des demographischen Wandels ein überaus erfreulicher. Was daran so erstaunlich ist, das ist das Alter der nämlichen Kinder:

„Mein Sohn ist drei und singt so gern – ich möchte, dass er Gesangsunterricht bekommt“, so haben wir es nicht nur einmal erfahren, gleichlautende Anfragen für alle anderen Instrumente eingeschlossen.

Liebe Eltern, wir finden es großartig, dass ihr Euren Kindern musische Bildung ermöglichen möchtet, ist Musik neben Sport vermutlich die einzige Freizeitbeschäftigung, die eine lebenslange Perspektive eröffnet. Und da ist es gut, frühzeitig ein ordentliches Fundament zu legen, eines, das die Begeisterung für die Musik entfacht und eine dauerhafte Beschäftigung damit aufrechterhält. Hier gilt das Motto „es ist selten zu früh spät und nie zu spät!“

Doch Musik ist eine langfristige Angelegenheit, es braucht Zeit und Einsatz, um ein Instrument zu erlernen, es braucht Zeit und Engagement, Musik zu machen und es braucht Zeit, um als Musiker zu reifen und die verschiedenen Stadien musikalischer Geschmacksentwicklung zu durchleben. Kennen wir sicher alle noch: frühe Pop-Verwirrungen,  pünktlich zur Pubertät gefolgt von der Entdeckung des trotzigen Rock`n`Roll a la Metallica oder AC/DC, die wiederum von einer Phase Indie-Hörens im Heranwachsen abgelöst wird – bis sich am Ende so etwas wie eine musikalische Sozialisation herausgebildet hat, diese individuelle, eigenwillige Melange aus gehörten Songs und erlebter Musik.

Aber eben weil Musik auf Dauer angelegt ist, verträgt sie sich überhaupt nicht mit eiliger Hast oder gar mit Druck, hemmen sie doch nachhaltiges Lernen, das geprägt ist von Neugier und Freude, bremsen die Kreativität aus und führen im schlimmsten Fall dazu, dass Kinder (und Erwachsene) Musik nicht mehr als einen Hort für Mußestunden empfinden, sondern als eine zusätzliche Belastung neben vielen anderen. Und dann hat es sich mit dem schönen, lebenslangen Spaß an Musik.

Auf dem Weg zum Musiker gibt es keine Abkürzungen, Musik lernt man nicht im Vorbeigehen, sondern durch Beschäftigung mit allen Facetten dieser Kunstform. Hierzu gehört das Üben am Instrument, klar, aber genauso Musik zu hören, verschiedene Stile kennenzulernen, sich auszuprobieren, Fehler zu machen und zu korrigieren, Konzerte zu besuchen, sich mit anderen Musikern auszutauschen usw. usf.

Auf diesem Weg gibt es auch keinen Endpunkt, kein festes Ziel, sondern lediglich Etappen – Wegstrecken, die man zurücklegt, um zur nächsten Station zu gelangen –  einem Song, den man spielen, einer Technik, die man beherrschen lernen möchte. Dort verharrt der Musiker für eine Weile, erfreut sich an dem Erreichten, nur, um sich dann auf die nächste Etappe des Lernens und auf zur nächsten Station zu machen. Ziel kann also nur die dauerhafte Beschäftigung mit Musik sein, die Liebe zur Musik, um so die Freude am Lernen immer wieder aufs Neue zu befeuern.

Und noch ein weiterer Aspekt ist wichtig: Kaum ein uns bekannter erfolgreicher Musiker (erfolgreich im Sinne von: lebenslange Freude an Musik) ist bei einem oder gar seinem ersten Instrument geblieben. Unzählige Musiker spielen mehr als nur ein Instrument oder sie singen und spielen mindestens ein Instrument. Nicht, weil sie mit ihrem ersten Instrument unglücklich waren oder gar schlecht, sondern weil sie ihr Repertoire erweitern möchten, ihr Ausdrucksvermögen ausbauen wollen. Und die Entscheidung für ein weiteres Instrument bedeutet ja nicht, alles bisher Gelernte über Bord zu werfen. Im Gegenteil, jeder Musiker, der mehr als ein Instrument spielt, weiß die Vorzüge zu schätzen, die darin liegen: Man kann sich besser in andere Musiker hineindenken, die Fähigkeit, zuzuhören – sicherlich die wichtigste Eigenschaft eines Musikers – nimmt drastisch zu, mit jedem Instrument eröffnen sich neue Stilistiken usw. usf.

Die Entscheidung für ein Instrument muss also keine lebenslange bedeuten, Interessen, Geschmäcker, Vorlieben können sich ändern, die Leidenschaft für Musik sich in ganz unterschiedlichen Formen ausdrücken, u.U. eben auch in einem anderen, einem weiteren Instrument. Man sollte also nicht nur nachsichtig sein, wenn das Pendel von einem zum anderen Instrument ausschlägt, sondern diesen Umstand als Indiz dafür ansehen, dass Musik sich als so fester Bestandteil des Lebens etabliert hat, dass der Musiker das Neue sucht, sich weiterzubilden bestrebt ist. Das ist mitnichten ein Anzeichen von Wankelmütigkeit.

Nun also zurück zu den Eltern mit ihren Jüngst-Musikern: Bevor ein formaler Instrumentalunterricht ansetzen kann, müssen gewisse körperliche und geistige Fertigkeiten entwickelt sein. Die physiologischen Details würden hier zu weit führen, aber man darf getrost davon ausgehen, dass für die Instrumente Klavier, Schlagzeug und Gitarre das Erreichen des Vorschulalters einen guten Zeitpunkt für den Einstieg darstellt.  Das soll kein Dogma sein, wir beraten Eltern und Kinder gern im Verlauf einer kostenlosen Probestunde in der Musikzentrale, in deren Verlauf alle Beteiligten feststellen können, ob die Zeit bereits reif ist, man vielleicht auf ein anderes Instrument ausweichen sollte oder noch ein halbes Jahr mit dem Beginn des Unterrichts wartet.

Für Blasinstrumente ist es sinnvoll zu warten, bis die Entwicklung der Zähne abgeschlossen ist, um zum einen die Tonbildung nicht unnötig zu erschweren, zum anderen sollen Fehlbildungen verhindert werden.

Mit dem Gesangsunterricht darf man sogar gern bis zum Abschluss des Stimmbruchs warten, bei Jungen wie bei Mädchen, verändert sich in deren Verlauf der Stimmapparat doch so sehr, dass man eigentlich von einer neuen Stimme sprechen muss, die auf neue trainiert werden müsste.

Was also tun, wenn der Nachwuchs bereits mit zwei, drei Jahren musikalische Ambitionen zeigt? Erst einmal an dem Kind freuen, denn singen und tanzen sind Formen des Ausdrucks einer natürlichen Entwicklung. Wir würden sogar so weit gehen zu sagen, dass jedes Kind zunächst musikalisch ist, Freude am Singen, am Tanzen hat, eben, um sich auszudrücken.

Greifen Eltern diese Freude auf, singen mit ihren Kindern, tanzen mit ihren Kindern, spielen gemeinsam Geräusche auf allen nur erdenklichen Klangerzeugern, wird das Kind Musik als etwas Natürliches begreifen, als etwas, das so selbstverständlich um sie herum ist wie die Luft zum Atmen. Die frühkindliche Begeisterung für alles, was Geräusche macht, die eigene Stimme und die der Erwachsenen eingeschlossen, der Wunsch, sich durch Bewegung auszudrücken, all das sind die ersten Bausteine einer Musikerkarriere.

Im nächsten Schritt empfehlen wir eine musikalische Frühförderung, die diese Begeisterung der Kinder aufgreift, Richtungen aufzeigt und die ersten, strukturierten Inhalte zum Thema Musik anbietet. Dabei sollten Kinder nicht künstlich von Instrumenten ferngehalten werden, wie es oftmals in der Früherziehung üblich ist, sondern diese ebenso kennenlernen wie andere Klangerzeuger.

Um es zusammenzufassen: Der erste „Musikunterricht“ für Kinder kann und sollte in der Familie stattfinden, singt zusammen, tanzt zusammen, hört zusammen mit Kindern Musik – das ist Musik lernen im besten Sinn.

Die nächste Etappe musikalischer Entwicklung ist die musikalische Frühförderung ab etwas zwei Jahren, zunächst noch mit einem Elternteil zusammen, später dann in einer Gruppe von Kindern. Orientierungskurse im Vorschulalter, in denen Kinder verschiedene Instrumente kennen lernen und ihre Neigung zu dem einen oder dem anderen entdecken können, dienen als Entscheidungshilfe für den Beginn der Instrumentalkarriere.

Hierbei kann die Bedeutung eines enthusiastischen Musiklehrers gar nicht genug unterstrichen werden, denn nur ein Lehrer, der selber für die Musik brennt, kann bei anderen diese Flamme entzünden und am Leben halten. Ein toller Lehrer kann ein unpopuläres Instrument unterrichten – und wird dennoch stets begeisterte Schüler haben. Umgekehrt wird selbst die Freude an einem angesagten Instrument durch einen wenig ambitionierten Lehrer schnell erlöschen.

Das sind einige Handreichungen für Euch, liebe Eltern, die ihr an musikalische Bildung für Eure Kinder denkt. Haltet den Bildungsdruck, wie er im Schulalltag auf allen Beteiligten lastet, aus der Musik heraus, schließlich heißt es ein Instrument spielen. Kinder wachsen durch Musik, gebt ihnen dafür den erforderlichen Raum und die nötige Zeit.

Welche Musik sie auf welchem Instrument machen, spielt dabei eine untergeordnete Rolle, so lange sie nur Freude an dem Instrument, Freude an der Musik und Freude am Lernen haben – und sich diese im besten Fall ein Leben lang bewahren.

 

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