Eine Bratsche für Mohammed

Wetzlarerin übergibt Symphoniker aus Syrien Viola

Seit sieben Monaten hat Mohammed keine Musik mehr gemacht. Seine Bratsche haben Plünderer im Frühjahr aus seinem Haus in Damaskus geholt. Eine Wetzlarerin hat dem Syrier, der vor zwei Wochen im Camp auf der Spilburg angekommen ist, nun ihre Bratsche gegeben.

Es ist ganz ruhig in dem Raum der Musikzentrale Wetzlar, als Karola Volkmann ihre Bratsche auspackt. Dann steht sie auf und überreicht sie Mohammed Mir Ali. Der 33-jährige Flüchtling aus Syrien kann es kaum glauben. Seine Augen leuchten, er lächelt, dann streicht er vorsichtig über das Holz des Instruments. “Danke”, sagt er leise. “Danke.”

Wetzlarer Kammerorchester freut sich auf den Bratschisten aus Syrien
Mit neun Jahren hat Mohammed angefangen, Geige zu spielen, einige Jahre später ist er auf die tiefer klingende Schwester der Violine, die Bratsche – auch Viola genannt – umgestiegen. Er studierte Musik am Higher Institute of Music in Damaskus, spielte in verschiedenen Orchestern, darunter auch im Syrischen Nationalorchester.

Als Lehrer unterrichtete er Kinder in einem Musikinstitut in der syrischen Hauptstadt. Die Musik ist sein Leben gewesen. Sein Lieblingskomponist ist Johann Sebastian Bach, verrät er. Doch dann kam der Krieg und hat ihm sein geliebtes Instrument und damit die Musik genommen.

“Ich freue mich so sehr”, sagt er auf arabisch zu George. Die Männer haben sich im Camp kennengelernt, auch George ist aus Syrien geflüchtet, spricht sehr gut englisch und deutsch und hilft als Übersetzer im Camp.

George hat die Geschichte von Mohammed gehört und sie den ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern in Wetzlar erzählt. Dann ging alles ganz schnell. Über die Organisatoren von Helfen helfen landete die Geschichte bei Sebastian Schlöndorf, dem Leiter der Musikzentrale mit Hauptsitz in Wetzlar. Er stellte den Kontakt zu Karola Volkmann her. “Ich komme schon seit einiger Zeit nicht mehr dazu, Bratsche zu spielen”, erzählt die Wetzlarer Rettungssanitäterin. “Und ein Instrument muss gespielt werden, damit es erhalten bleibt.”

Karola Volkmann ist mit Musik groß geworden, hat schon mit fünf Jahren angefangen, Geige zu spielen und ist – wie Mohammed – einige Jahre später auf die Bratsche umgestiegen. Für sie war es keine Frage, ihr Instrument Mohammed zu geben.

Auch Chris Rabe, Geigenlehrerin in der Musikzentrale, hat die Geschichte gehört. Sie will nun einmal die Woche mit Mohammed gemeinsam spielen. “Ich möchte helfen, einem Menschen ein Stück Normalität, Würde und damit auch Heilung zurückzugeben”, sagt Musiklehrerin Chris Rabe.

Das Wetzlarer Kammerorchester unter Leitung von Martin Knell freut sich, wenn Mohammed kommt, um mit ihnen gemeinsam zu spielen. “Die Sprache der Musik ist international. Deshalb ist bei uns jeder Musiker, egal aus welchem Kulturkreis, herzlich willkommen”, sagt Martin Knell, der sich schon auf Mohammed freut.

Die Bratsche ist inzwischen gestimmt, die Geige auch. “Willst Du es versuchen?”, fragt Chris Rabe vorsichtig. Mohammed nickt. Dann stehen beide auf, führen die Instrumente zum Kinn und heben den Bogen. Mohammed das erste Mal seit sieben Monaten.
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